Interview mit Athletiktrainer Rolf Freymüller

Interview

Nachdem wir nun offiziell als Aufsteiger in die 2. Frauen-Bundesliga feststehen, laufen die Vorbereitungen zwecks Sommervorbereitung auf Hochtouren. Neben den fußballerischen Aspekten im Mannschafts- und Torwarttraining steht das Athletiktraining beim 1. FFC Niederkirchen ganz hoch im Kurs. Auch hier können wir uns in Zukunft auf unseren Athletiktrainer, Rolf Freymüller, verlassen, der auch in der kommenden Saison 2020/2021 viele schweißtreibende Einheiten mit unseren Spielerinnen in unserem Fitnessraum und auf dem Rasenplatz absolvieren wird. Um einen Einblick in seine Arbeit zu gewähren und die hervorragende Zusammenarbeit mit der Vereinsführung und dem Trainerteam zu beleuchten, stand uns Rolf Freymüller in einem Interview Rede und Antwort.  

Rolf, seit 25 Jahren betreibst du erfolgreich ein Sportstudio in Sinsheim. Wie kam es eigentlich dazu, dass du dich neben dem Muskelaufbau und einer rein orthopädischen Betreuung von Menschen zu einem Top-Athletiktrainer im Bereich des Fußballs weiterentwickelt hast 

Da ich mich selbst bereits viele Jahre mit den Themen Marathon und Triathlon beschäftige und hier eine gesunde Grundathletik Voraussetzung ist, habe ich im Laufe der Ausbildung zum Athletiktrainer gemerkt, dass viele Inhalte des Athletiktrainings eine breite Anwendung im Fußball finden und die Spielerinnen und Spieler dadurch schneller werden. Das Athletiktraining an sich hat sich in den letzten Jahren immens gewandelt – so umfassen die Trainingsinhalte jetzt auch Themen wie Neuroathletik, Wahrnehmung, Handlungskompetenz und HandlungsschnelligkeitNatürlich gehört hier auch der Bereich Krafttraining mit hinein. Im Sportstudio und im Bereich des Bodybuildings war es lange Zeit üblich, dass es rein um den Muskelzuwachs ging. Heute weiß ich, dass man mehr auf Muskelklasse statt Muskelmasse hintrainieren sollte. Der ganzheitliche Aspekt steht hier im Vordergrund, denn wenn wir das Zentrale Nervensystem weiterentwickeln, können wir unser Gehirn besser steuern und uns qualitativ und quantitativ verbessern. 

Das bedeutet ja, dass sich im Athletikbereich viele Facetten überschneiden, die das Fundament zu einer professionellen Weiterentwicklung bilden. Kannst du das genauer erklären? 

Ja, klar. Ein Beispiel wäre das Beinachsentraining: ein gesunder Fuß ist der Ausgangspunkt für einen gesunden Rücken und für mehr Gleichgewicht. Dies bildet die Grundlage für eine ausgeprägtere Handlungsschnelligkeit. Genauso findet sich dieses Phänomen im Auge: je schneller der Fokus auf etwas fällt, umso schneller kann ein Spieler beispielsweise die Entfernung zu einem Mitspieler einschätzen und die nächste Handlung einleiten. Hier sieht man, wie eng Neuroathletik, Wahrnehmung, HandlungskompetenzHandlungsschnelligkeit, Kraft, Ausdauer und Fitness miteinander verknüpft sind. 

Bedeutet das, dass jeder, der z. B. an seiner Fußstellung arbeitet sich auch gleichzeitig in allen anderen Bereichen verbessern kann? 

Naja, grundsätzlich ja. Aber dazu gehört auch die Bereitschaft sich dieser Dinge anzunehmen und an seinen Schwächen zu arbeiten. Wenn in meinem Training ein Fußballtalent auf Fitness trifft und umfangreich im athletischen Bereich arbeitet, dann kommt es zu weniger Verletzungen und der Fußballspieler wird beispielsweise schneller und stabiler im Zweikampf.  

Die Bereitschaft ist also der Schlüssel zum Erfolg? Wie sieht das denn beim 1. FFC Niederkirchen aus? 

Genau, das ist ein zentraler Schlüsselbegriff, der die Grundlage für alles weitere bildet. Um die Bereitschaft beim 1. FFC Niederkirchen für ein solches Training zu wecken, brauchte es nicht viel. Meine Arbeit wird sowohl von der Vereinsführung, vom Trainerteam und den Physiotherapeuten als auch von der Mannschaft zu 100 % akzeptiert und unterstützt. Ich habe schon bei vielen Vereinen ein Athletiktraining durchgeführt, aber noch niemals zuvor wurde mir solch ein gutes Umfeld und eine perfekte Zusammenarbeit mit allen Funktionären des Vereins geboten, wie beim 1. FFC Niederkirchen. Schon allein die Tatsache, dass es dort seit Mitte November 2019 einen eigenen Fitnessraum gibt, der in enger Absprache mit mir und der Geschäftsführerin, Anja Marx, gebaut und eingerichtet wurde, erleichtert meine Arbeit enorm und das Athletiktraining wird seitdem von noch mehr Spielerinnen in Anspruch genommen. 

Der Fitnessraum des 1. FFC Niederkirchen wurde im November 2019 mit einer kleinen Feier eingeweiht. Wie genau wird dieser im Rahmen des Athletiktrainings genutzt? 

Der neue Fitnessraum des 1. FFC Niederkirchen ist top ausgestattet und ermöglicht eine enorme Qualität im Bereich des Athletiktrainings. Das ist vor allem dem Einsatz von Anja Marx zu verdanken, die während der Planungsphase immer wieder mit mir in Kontakt stand, um den Raum optimal zu gestalten und einzurichten. Das Schlingentraining eignet sich hervorragend für das Ganzkörpertraining und fordert und fördert zudem mehr Kraft, Dehnung und Geschmeidigkeit. Die Langhanteln sorgen für mehr Kraft und Stabilität und mit den Pedalos haben wir die Möglichkeit optimal am Gleichgewicht der Spielerinnen mit Hilfe des Beinachsentrainings zu arbeiten. Alles in allem geht es immer darum die leistungslimitierenden Faktoren zu verbessern, die Kraft richtig einzusetzen und somit in sämtlichen Bereichen schneller zu werden. 

Neben dieser fußballspezifisch-athletischen Ausbildung sollen in naher Zukunft auch Kurse für Jedermann im Fitnessraum stattfinden, die die Bereiche Schlingentraining, Brain Kinetic und Verletzungsprophylaxe abdecken. 

In meinem Gespräch mit Niko Koutroubis ging es auch um die neue Vorgehensweise mit dem Perspektivteam, das besonders begabte Talente sukzessive an die 1. Mannschaft heranführen soll. Profitieren diese Spielerinnen auch vom Fitnessraum und deiner Arbeit beim FFC? 

Auf jeden Fall. Die Spielerinnen, die dem Perspektivteam angehören, werden gezielt im Bereich der Athletik weiterentwickelt. Komplexe Aufgaben führen dazu, dass das Gehirn besser arbeitet und leistungsfähiger ist. Je früher eine Spielerin an dieser Leistungsfähigkeit arbeitet, desto schneller ist das Gehirn bereit gewisse Impulse zu verarbeiten. Demnach sollen auch junge, talentierte Spielerinnen aus dem Leistungsbereich der U17 durch diese Art des Trainings sukzessive an das Niveau der 1. Mannschaft herangeführt werden. 

Die Arbeit mit den Spielerinnen der 1. Mannschaft und auch mit denen des Perspektivteams geschieht in enger Absprache mit den Trainern. Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Trainerteam des 1. FFC Niederkirchen im Detail aus? 

Eine funktionierende Zusammenarbeit mit dem Trainerteam impliziert immer eine gute Kommunikation – und das ist hier in Niederkirchen absolut gegeben. Wir Trainer tauschen uns ständig untereinander aus und ermitteln, wo die leistungslimitierenden Faktoren der Spielerinnen liegen. Im Anschluss daran können wir im Athletiktraining gezielt daran arbeiten und die Mädels sukzessive weiterentwickeln. Andersherum wird das Mannschaftstraining auch auf Trainingsinhalte der Athletik hin aufgebaut und der Effekt verstärkt sich. Hier wird deutlich, dass genau diese Art der Zusammenarbeit sich wie ein Puzzle zusammenfügt und am Schluss ein ganzes Bild dabei herauskommt. 

Du hast aber auch schon erwähnt, dass du mit der Vereinsführung bzw. mit Anja Marx in einem stetigen Austausch stehst und du auch in Sachen Fitnessraum das eine oder andere Wörtchen hast mitreden können. Wie genau unterstützen dich die Verantwortlichen des 1. FFC Niederkirchen in deiner Arbeit? 

Die Zusammenarbeit mit der Vereinsführung bzw. mit Anja ist einfach super, weil sie für neue Perspektiven stets empfänglich ist und meine Ideen großartig umgesetzt werden. So haben wir im Zuge der Einweihung des Fitnessraums auch schon die eine oder andere Ausbildungsveranstaltung für unsere Trainer angeboten, damit auch sie Einblicke in meine Philosophie und mein Training erhalten. Ich habe auch immer die Möglichkeit an Ausbildungsveranstaltungen der VBG teilzunehmen und auch das wird von Anja organisiert. Dort bieten sich mir Einblicke in die Athletikarbeit von anderen Amateur- aber auch von Profivereinen. Wenn ich dann beispielsweise Materialien benötige, um neue Trainingsinhalte umzusetzen, kümmert sich Anja darum. Auf diese Weise kann ich mein Training immer an den neusten Standards orientieren und eine optimale Entwicklung der Spielerinnen gewährleisten. 

Wie sieht denn schlussendlich deine Arbeit ganz konkret beim 1. FFC Niederkirchen aus? 

Im Training haben wir immer die Möglichkeit die Spielerinnen über leichte Übungen an anspruchsvollere Themenfelder heranzuführen. Durch gezieltes Training in diesen Bereichen erzielen wir eine stetige Weiterentwicklung. Nicht umsonst heißt es immer so schön: Bewegung schafft Hirn! Es entstehen also neue Neuronen sobald man neue Bewegungen macht und das Gehirn wird umfunktioniert. Jede neue Bewegung muss aber erst richtig abgespeichert werden und daran arbeiten wir dann im Athletiktraining. Wenn die Grundlagen dann stimmen, bauen komplexere Aufgaben darauf auf und wir erzielen einen ganzheitlichen Fortschritt, sowohl physisch als auch psychisch.   

Die letzten Monate erleben wir einen Stillstand im Sport, den wir so nicht kennen. Was hast du während der Corona-Zwangspause gemacht? 

In allererster Linie musste ich ja mein Studio von heute auf morgen schließen und so konnte ich die Zeit zur Weiterbildung nutzen. Als dann die Auflagen etwas gelockert wurden war zumindest unter Einhaltung bestimmter Schutz- und Hygienemaßnahmen wieder ein Personal Training möglich. Den Rest der Zeit habe ich mich selbst fit gehalten, weil ich ja nach wie vor noch alle Übungen in meinen Trainingseinheiten vormache – und man wird ja auch nicht jünger. Lacht.  

Während der Corona-Zwangspause konnten aber auch unsere Spielerinnen kein Mannschafts- oder Athletiktraining absolvieren. Kannst du jetzt nach dem Wiedereinstieg in den Trainingsbetrieb weitreichende Defizite feststellen, die erst wiederaufgearbeitet werden müssen?  

Die vergangenen Wochen waren sowohl für mich als auch für die Spielerinnen eine außergewöhnliche Situation. Aber in Absprache mit dem Trainerteam hatten wir ihnen ein paar Hausaufgaben aufgegeben, damit sie sich fithalten können. So konnte ich in den vergangenen zwei Wochen im Athletiktraining kaum merkliche Verschlechterungen feststellen und die Spielerinnen konnten ihre Grundfitness erhalten. So müssen wir hier keine großen Defizite aufarbeiten und können wie gewohnt mit dem Athletiktraining fortfahren, ehe wir dann nach einer Sommerpause in die Vorbereitung zur Saison 2020/2021 starten. Da wartet eine Menge Arbeit auf uns, jetzt wo der Aufstieg offiziell besiegelt wurde. 

Wird sich das Athletiktraining in der Sommer-Vorbereitung im Hinblick auf den geschafften Wiederaufstieg in die 2. Frauen-Bundesliga im Vergleich zur vergangenen Saison verändern? 

Die Vorbereitung auf die Saison in der 2. Frauen-Bundesliga ist ein ganz anderes Kaliber als diejenige im vergangenen Sommer. In der Sommerpause wollen wir bereits die Grundlagen für den Trainingsauftakt legen und ein Kleingruppentraining im Kraftraum anbieten. Es ist ein freiwilliges Angebot für eine Art Vor-Vorbereitung, weil ein richtiges Krafttraining in der Vorbereitung kaum unterzubringen ist. Hier können Stabilitäts- und Kraftübungen durchgeführt werden, die grundsätzlich sehr wichtig sind. Es geht darum den Ist-Zustand zu erhalten, um dann in der Sommer-Vorbereitung auf mehr Intensität im Athletikbereich zu setzen.  

Kannst du das mit der erhöhten Intensität genauer erklären?  

Ein klassisches Beispiel hierfür wäre der Bereich der Körpersprache. Eine Spielerin, die gerade steht, den Kopf und den Blick gerade hält und mit Spannung auftritt, sieht grundsätzlich fitter aus als eine Spielerin, die total durchhängt. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Spielerin die Bereitschaft ausstrahlt Leistung zu bringen und so wird schon einmal der Gegner etwas eingeschüchtert. Die Intensität in der Vorbereitung wird dahingehend gesteigert, dass wir uns in diesen Bereichen verbessern und athletisch fitter werden. Das fußballspezifische Training ist natürlich immer mit dabei. Aber es geht vor allem darum, dass wir uns in allen athletischen Teilbereichen immens verbessern, um für die kommenden schweren Aufgaben optimal vorbereitet zu sein. 

Zur Person: Rolf Freymüller

Der 72-jährige, der bereits seit 25 Jahren ein Sportstudio in Sinsheim betreut, setzt in seiner Arbeit auf eine ganzheitliche Weiterentwicklung seiner Kunden. Neben dem B-Trainerschein im Fußball, Trainerlizenzen in vielen weiteren Ballsportarten und dem schwarzen Gürtel im Judo ist Rolf in allen sportlichen Belangen breit aufgestellt.  Schon immer beschäftigte er sich ausgiebig mit den Themen rund um Marathon und Triathlon und konnte viele dieser Wettkämpfe finishen. In diesem Zusammenhang ist er dann auch zu der Ausbildung als Athletiktrainer gekommen. Da sich der athletische Bereich in den letzten Jahren immens gewandelt hat, erweiterte Rolf sein Angebot von der Betreuung von Menschen mit orthopädischen Problemen zu einem facettenreichen Training rund um die Themen Neuroathletik, Wahrnehmung, Handlungskompetenz und Handlungsschnelligkeit. Seine Arbeit zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er stets voller Leidenschaft die Trainingsinhalte vermittelt und jederzeit bereit ist, alle Übungen selbst vorzumachen und durchzuführen. 

Zurück